Blog Anett Dreuse
24.09.2020 19:31

Ich beiße mir oft in die Wange.

Schon manches Mal kam ein Klient in die Praxis und beklagte, dass er sich nach seiner Operation laufend in die Wange beißen und manchmal sogar etwas Speichel aus dem Mundwinkel laufen würde. Früher, also vor der Operation, wäre es nicht so gewesen.

Was könne er tun? Er hätte eine logopädische Verordnung von seinem Arzt.

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Zunächst möchte ich erwähnen, dass unterschiedliche Faktoren zu ähnlicher Symptomatik führen können. Betroffen ist hier jedoch der Nervus Facialis und somit handelt es sich um eine neurologische Erkrankung.

Der Nervus Facialis ist der VII. Hirnnerv und wird auch als Gesichtsnerv bezeichnet. Er hält die mimische Muskulatur so, wie sie gehört, auch wenn sie uns mal entgleist. Durch ihn drücken wir Freude, Schalk, lange Weile oder auch Zorn aus.

Die o.g. Klienten hatten alle ein Akustikusneurinom. Dabei handelt es sich um einen gutartigen Tumor, der bei großer Ausdehnung unterschiedliche Hirnnerven schädigen kann. Er liegt im Bereich des Felsenbeins und kann zu Schwierigkeiten beim Hören, zu Ohrgeräuschen, Taubheitsgefühl, Schwindel oder auch Gleichgewichtsstörungen führen.

Bei meiner Beispielsymptomatik blieb nur eine kleine Verletzung des Gesichtsnerves zurück.

Da die Symptome nach der Operation als störend empfunden wurden, gingen die Klienten mit einer Verordnung zur Logopädie.

Nun beginnt das tägliche Üben. Man kann schon mal einen Tag auslassen, doch das Übungsprogramm dauert eigentlich nicht lange.

Durch den leicht geschädigten Gesichtsnerv ist die Wangen- und Lippenmuskulatur auf der Seite, wo sich das Akustikusneurinom befand, schwach und schlapp. Man sagt auch, dass der Muskeltonus hypoton ist. Eine Lähmung mit Bewegungseinschränkung liegt zum Glück nicht vor.

Weil also Wange und Mundwinkel ein wenig, vielleicht sogar kaum sichtbar, herunterhängen, beißen sich die Klienten auf die Wange und tupfen sich häufig die Mundwinkel.

Hier helfen nur mundmotorische Übungen, die man auch im Internet unter Facialisübungen finden kann. Grimassen schneiden, sagt der Volksmund, doch die mimische Muskulatur wird gezielt trainiert.

Sehr hilfreich ist auch Eistherapie. Wobei hier wichtig ist, dass man die betroffene Muskulatur immer nur kurzfristig mit der Kälte reizt. Der Nerv und die Muskeln sollen einen kurzen Schock bekommen und zu einer Kontraktion, Zusammenziehen des Muskels führen. Jeder leicht geschädigte Muskel gewinnt durch Bewegung wieder Kraft. 

Wenn Sie aber die Eistherapie zu lange durchführen, erreichen Sie genau das Gegenteil. Der Muskel entspannt sich und wird eher noch schlapper. Die Wirkung entspräche einer Behandlung mit Botox. Es ist wie überall im Leben. Zuviel ist einfach zuviel und fordert Pausen.